„Als Athlet ist es ok, selbstbewusst zu sein“ – Interview mit Jung-Golfer Nick Schwenger

Nick Schwenger hält den Schläger nach dem Abschlag waagerecht vom Körper weg.

Wie laufen dann die Wettkämpfe ab?

Wir treten im Team gegen andere Universitäten an. Dabei wird zuerst nach geografischen Gesichtspunkten in den sogenannten Conferences gespielt. Diese kennt man vielleicht auch von den anderen Sportarten wie Basketball oder American Football. Nach der Saison kommen die Playoffs. Die qualifizierten Teams aus den einzelnen Conferences treten gegeneinander an und spielen die National Championship aus. In einem Spiel treten fünf gegen fünf an. Das schlechteste Ergebnis wird jeweils gestrichen, die anderen vier kommen in die Wertung.

Du hast vorhin von einer starken Mannschaft an deiner Universität gesprochen. Wie bist du mit dem dortigen Leistungsniveau zurechtgekommen?

Am Anfang war es schon happig. In den USA wird der Golfsport viel besser gefördert, entsprechend gibt es mehr Spieler und das Niveau ist sehr viel höher. Als ich in der Jugend Scores in den mittleren 70ern gespielt habe, hat dies in der Regel für die Top 10 gereicht. Auf der Universität ist das Niveau nochmal etwas höher. Einige der Jungs sind für die Turniere gesetzt. Für die wenigen vakanten Plätze im Team werden dann interne Qualifiers gespielt und es entsteht manchmal ein ziemlicher Hahnenkampf. Je nach Konstellation kommt es schonmal vor, dass sich zwölf Spieler um zwei oder drei Plätze streiten.

2019 hat dein Team immerhin die Midwestern Conference gewonnen. Wie siehst du deine Zukunft im Golfsport?

Golf wird immer ein ganz wichtiger Teil in meinem Leben sein, soviel steht fest. Als ich in die USA ging, hatte ich auch vor, Profi zu werden. Allerdings merke ich mittlerweile, dass dies sehr schwer ist. Ich kümmere mich daher auch um eine Karriere außerhalb des Sports. Parallel würde ich aber gern als Elite-Amateur weitermachen und, wenn möglich, auch internationale Turniere in meinen Berufsalltag einbinden.

Ein Karriereweg könnte für dich in Social Media liegen. Auf deinem Instagram-Kanal setzt du dich professionell in Szene und hast bereits über 8.000 Follower (Stand: August 2020). Bist du der kommende deutsche Golf-Influencer?

Ehrlich gesagt mag ich das Wort „Influencer“ gar nicht so gerne und finde, es wird etwas inflationär benutzt. Ich meine, nur weil man ein paar Follower hat, ist man nicht Mahatma Gandhi. Allerdings kann ein professioneller Auftritt schon weiterhelfen, insbesondere im Golfsport. Es gibt da einige Spieler, die auf Turniere eingeladen werden, weil sie eine starke Medienpräsenz haben. Das habe ich schon im Blick. Vielleicht ergeben sich auch Partnerschaften mit Golfmarken, dafür bin ich offen. Und nicht zuletzt finde ich es einfach schön, ein wenig von meinem Lebensweg zu berichten. Wenn das ein paar Menschen Freude bereitet oder sie sogar inspiriert, umso besser.

Gibt es Golfer, die dich inspirieren?

Ich habe kein spezielles Vorbild aber es gibt durchaus Golfer, von denen ich mir etwas abschaue. Als ich ein PGA-Turnier besucht habe, war ich fasziniert, welche Schlägerkopfgeschwindigkeit Charles Howell III erreichte. Aus dem biomechanischen Blickwinkel finde ich die Schwungtechnik von Justin Thomas phänomenal. Der Mann wiegt nicht viel mehr als 70 Kilogramm. Dabei dann eine Schlägerkopfgeschwindigkeit von 120 km/h zu erreichen, ist für mich unglaublich. Thomas bewegt sich nahezu perfekt. Aber auch der deutsche Elite-Amateur Daniel Schmieding inspiriert mich, da er es geschafft hat, internationale Golf-Turniere mit einer „normalen“ Karriere zu vereinbaren.

Lass uns über die PGA sprechen! Wir haben uns kennengelernt, weil du auf Instagram einen Artikel von 123golfsport.de kommentiert hast. Darin ging es um die Kritik an Brooks Koepka und seinem „Trash Talk“ gegenüber anderen Spielern. Du siehst Koepka offenbar in der Öffentlichkeit falsch bewertet?

Ich finde, als Athlet ist es ok, selbstbewusst zu sein. Koepka ist kein Neuling. Er hat mit 30 Jahren bereits vier Major Championships geholt und viele weitere professionelle Titel. Er war für über 30 Wochen die Nummer 1 der Welt. In anderen Sportarten, wie im Boxen oder in der Formel 1, ist es gang und gäbe, mit breiter Brust aufzutreten und vielleicht die Grenze zur Arroganz auch mal ein wenig zu überschreiten. Doch aus irgendwelchen Gründen fordert die Golf-Community – vor allem die europäische – von den Spielern immer eine übertriebene Bescheidenheit ein.

Stört dich dieser Nimbus des ewigen „Gentlemen Sports“?

Teilweise schon, denn das ist nicht unbedingt das, was die Jugend will. Die Jugend möchte ein Stück weit an diesem „Trash Talk“ teilhaben. Aber vor allem möchten Golf-Fans heutzutage unterhalten werden. Wenn ich mir die europäische Berichterstattung der PGA anschaue, finde ich es teilweise gähnend langweilig. Diese Langeweile sollte nicht auch noch gefördert werden. Das ist in den USA ganz anders. Wenn jemand wie Koepka – der es sich nun mal leisten kann – durch kesse Sprüche da etwas Dynamik reinbringt, dann ist das völlig in Ordnung.

Mag sein, dass es hier kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung solcher Statements gibt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass ausgerechnet der Nordire Rory McIlroy öffentlich Anstoß an Koepkas Aussagen genommen hat. Aber findest du es auch ok, den Erfolg des Konkurrenten – in dem Fall Dustin Johnson – öffentlich zu relativieren?

Ok, das mag vielleicht ein wenig drüber gewesen sein. Aber ein paar Sticheleien können auch helfen, dich anzutreiben. In meinem Team ist man da auch sehr direkt. Wenn ich im Kraftraum einen Kumpel sehe, der 20 Kilo weniger stemmt als ich, dann mache ich ihn auch ein bisschen zur Sau (lacht). Das darf man alles nicht zu ernst nehmen. Letztlich war Koepkas Hauptaussage ja nur, dass er sich bei der PGA Championship gute Siegchancen eingeräumt hat. Und das ist für einen Spieler seiner Klasse absolut legitim.

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